Prinzipien des Beugens

Seit der Einführung der Umwelt in den Kampf der Kontrahenten, d.h. der im 20. Jahrhundert umfangreich begonnen Methodik nicht mehr direkt auf den Körper des Feindes, sondern auf dessen Umwelt zu zielen, gleicht die Kriegs-Terrorangst einer ohnmächtigen Naturkatastrophenangst. Menschen planen Katastrophen für andere Menschen.

„Wir erleiden Krieg und Terror naturkatastrophal, also völlig wehrlos. Heute können Menschen explodieren, vom Himmel kann es Feuersturm regnen, der Boden kann uns zerfetzen und wenn wir uns tief in ihm verstecken, können uns die ‘Lungenbrecher’ holen. Selbst unsere atembare unhinterfragt konsumierte Atmosphäre kann feindlich werden und ein Gift bergen.“ 

 

In seinen installativen Wandobjekten aus Acryl, Draht und Holz hinterfragt Tim Becker die Prinzipien militärischer Durchsetzung und atomterroristischer Eingriffe. Es stellt sich die Frage, inwieweit Terrorismus nicht als Feindbild zu bezeichnen, sondern eher als Kampfmethode zu verstehen ist. Beckers Werke lassen das attentäterische Prinzip in Kriegskatastrophen erahnen.

„Die Verwundbarkeit unserer Lebensbedingungen ist explizit geworden. Unsere stumm vorausgesetzte Überlebensumwelt befindet sich im Fadenkreuz. Geschlossene Atmosphären werden durchlöchert, Schützendes durchdrungen.“ 

Plan

Auf der Rückseite einer quadratischen Acrylplatte ist das digital verfremdete Photo einer Skyline aufgeleimt. Der transparente Bildträger ist beidseitig bemalt. Die friesartige Zone der virtuellen Großstadt wird von einem Sfumato an Türkistönen flankiert und von einem dramatisch bewölkten Himmel dominiert, aus dem einzelne Silberdrähte herausragen. Einzelne dieser Flugkörper, die wie Feuerschweife tiefe Furchen in der Oberfläche hinterlassen, haben die Stadt bereits erreicht. In den kometenähnlichen Gravuren stecken wie Nadeln Silberstifte, an deren Enden jeweils ein kleines Papierfähnchen mit einer Zahl angebracht ist. Die vermeintliche Naturerscheinung entpuppt sich als markiert, registriert, geplant, worauf auch der Titel schließen lässt. Am unteren Bildrand lässt sich erkennen, dass die Stadt, sinnbildlich für Zivilisationsverdichtung, feine Wurzeln treibt. 

Durchsetzung

Auf der Rückseite einer quadratischen Acrylplatte ist das digital verfremdete Photo einer Skyline aufgeleimt. Der transparente Bildträger ist beidseitig bemalt. Die friesartige Zone der virtuellen Großstadt, mit einem Koordinatennetz und Zielmarkierungen versehen, wird von Grautönen flankiert. Von rechts oben ergießt sich ein Geschoßregen über die Bildfläche, ein Strang von Acrylsplittern, mit Silberdrähten besetzt, erreicht das Häusermeer, das Zielgebiet ist durchlöchert und zerfurcht. Der Geschoßregen geht genau an den Stellen nieder, der in „Plan„ (siehe oben) durch Fähnchen markiert ist. 

Still

Auf einer Holzleiste in oblongem Querformat ist ein Drahtgewebe ausgebreitet, von Asche schwarz gerändert und voll von Spuren der Zerstörung. Angesengt, durchlöchert, ausgefranst, eingerissen, von zerfledderten Folien bedeckt, weiß gekalkt, erinnert die geschundene Struktur an Mullbinden oder Heftpflaster, an Verwundung und Schmerz, Verfall und Tod. Das Format dieser Arbeit entspricht dem der Skylines in „plan„ und „durchsetzung„. Trotz immenser Zerstörung scheinen an den ausfransenden Rändern die Wurzelfäden zu überdauern. 

Prinzipien der Durchsetzung

Eine hochrechteckige Hart-PVC-Platte wurde erhitzt und zu einer Ausbuchtung verformt. Sie ist wie ein Sieb durchlöchert, von einem Spiegel hinterfangen und als Planquadrat eines Stadtplanes farblich akzentuiert. Aus dieser deformierten Hülle führen feine Linien heraus und leiten zu einer Gruppierung von Stiften, die sich in die linke obere Bildhälfte zurückgezogen hat. Ihre an einem gezeichneten Faden hängende nackte Existenz wird augenscheinlich, ihre Schutzlosigkeit lässt an Vertriebene denken. (Dr. S. Liehr)

Hell-Dunkel-Kontraste und unscharfe Konturen lassen die Struktur einer Stadt erkennen. Schemenhafte Umrisse von Hochhäusern in einem verschwommenen Umfeld lassen ob ihrer grünen Einfärbung an Bilder von Nachtsichtgeräten denken, an militärische Ziele, deren Zerstörung dokumentiert wurde. Die Treffer durchlöchern das Papier und sind mit rotem Stift markiert. Dunkle Rahmungen akzentuieren das Monitorhafte. (Dr. S. Liehr)